Nie wieder Cosmopolitan

„Ich war neulich beim Arzt und habe erfahren, dass ich dick bin und hässlich und ein schlechter Liebhaber“, erzählt der Stand-up-Comedian Johnny Armstrong bei einem Auftritt in dem Comedy-Format Nightwash. „Und das war erst im Wartezimmer. Ich lese nie wieder Cosmopolitan.“

 

Zwar habe ich die Frauenzeitschrift Cosmopolitan noch nie gelesen, doch in Johnny Armstrongs Pointe finde ich mich trotzdem wieder. Schließlich gibt es neben Zeitschriften jede Menge weitere Medien, die uns den Eindruck vermitteln, nicht gut genug zu sein. Eine halbe Stunde auf Facebook genügt, um mich unzufrieden mit meinem Leben werden zu lassen. Da sehe ich Bilder von einem Freund, der gerade Urlaub in Australien macht, dessen Leben eine Aneinanderreihung bilderbuchreifer Höhepunkte zu sein scheint. Und nachdem ich den dritten Beitrag von ihm auf meiner Startseite angezeigt bekomme, habe ich den Eindruck, dass er genau das Leben lebt, von dem ich schon immer geträumt habe.

Wenn ich auf sozialen Netzwerken unterwegs bin, bekomme ich den Eindruck, das Leben meiner Freunde bestehe nur aus perfekten Beziehungen, spektakulären Urlauben, Rock-Festivals, fetten Partys und dem Schlürfen von Erdbeer-Smoothies in der Abendsonne. Dabei weiß ich eigentlich, dass ihr Leben nicht nur so ist. In Wahrheit gibt es bei ihnen genauso viele unspektakuläre Momente wie bei mir. Und ich weiß auch, dass ich selbst durch ein halbes Jahr Work and Travel in Australien nicht glücklicher werden würde, weil ich eigentlich total glücklich bin und zwar hier, in Gingen.

Würde ich die schönsten Momente meines Lebens auf einer Kamera festhalten und auf Facebook oder Instagram hochladen – ich bin mir sicher, meine Facebook-Freunde oder Instagram-Follower wären neidisch auf mein Leben. Sie würden meine mit schönen Filtern bearbeiteten Fotos anschauen und sich wünschen, ihr Leben wäre so spektakulär wie meins, weil sie eben nicht mein ungefiltertes Leben sehen würden. Ich würde nicht die Momente hochladen, in denen ich die Spülmaschine ausräume, mein Bett frisch beziehe, gelangweilt durch Facebook scrolle oder auf den Bus warte – es sei denn, ich hätte dabei einen Smoothie in der Hand.

Eigentlich wissen wir, dass das Leben der Menschen, die wir auf sozialen Netzwerken bewundern, in der Realität nicht so traumhaft ist, wie es auf den Bildern erscheint. Und trotzdem vergleichen wir uns automatisch mit der idealisierten Online-Version dieser Menschen und durch diesen Vergleich werden wir unzufrieden.

Leider macht dieser Drang, mich zu vergleichen auch vor meinem Glaubensleben nicht halt. Und auch hier schneide ich bei den Vergleichen stets schlecht ab. Ich verliere sämtliche theologische Diskussionen gegen meinen Vater oder die Bezirksjugendrefenten Felix Witte und Daniel Dorn. Ich bewundere einen Prediger im Jugendgottesdienst Celepraytion und werde unzufrieden mit meiner eigenen Art der Verkündigung. Ich beneide begeisterte Bibelleser, denn ich selbst nehme sie eher selten in die Hand. Früher litt ich darunter, dass ich keine spektakuläre Bekehrungsstory habe, sondern nun mal mit dem Glauben aufgewachsen bin. Ich sehe das selbstlose Engagement anderer Mitarbeiter beim Putzen oder in der Küche und schäme mich dafür, dass ich eben doch lieber vor Leuten stehe. Ich kenne Christen, die stets für den Glauben zu brennen scheinen, während ich mich oft eher ausgebrannt fühle.

Fange ich an, mein Glaubensleben mit dem anderer zu vergleichen, hat das denselben Effekt wie das schablonenartige Anwenden von Online-Idealen auf mein Leben: Ich werde unzufrieden. Dabei ist auch diese Gegenüberstellung überhaupt nicht aussagekräftig. Wie bei dem Vergleich mit den Bildern aus dem Internet stelle ich mein ganzes Leben wenigen Bruchstücken des Lebens eines anderen gegenüber. Ich vergleiche mich nur mit den besonders herausragenden Eigenschaften einer Person, sodass ich diesen Vergleich zwangsläufig verlieren muss.

Außerdem sollte mein Ziel nicht sein, so gut wie oder besser als mein Vater diskutieren zu können, mehr selbstlose Arbeit als andere zu verrichten (dann wäre die Arbeit auch nicht mehr selbstlos) oder andere Christen mit meinem Bibelwissen zu überragen. Kompetitives Leistungsdenken hat im Christentum spätestens seit der Reformation nichts mehr verloren.  Die Erkenntnis, dass Gott uns nicht an unserer Leistung misst, sollte doch eigentlich dazu führen, dass wir das auch nicht mehr tun. „Sola gratia“ lautete eines von Luthers Maximen. Allein durch Gnade sind wir errettet. Also können wir aufhören, zu versuchen, uns Gottes Liebe zu verdienen und anfangen, uns selbst zu lieben. Natürlich dürfen  wir dabei Selbstliebe nicht mit Selbstbeweihräucherung oder Selbstverherrlichung verwechseln. Es geht darum, dass wir uns in unserer Unvollkommenheit annehmen, ohne den unzufrieden vergleichenden Blick zu unseren Mitchristen. Sich anzunehmen bedeutet jedoch nicht, sich mit sich abzufinden. Wir sollen an uns arbeiten, aber es gilt, den Blick dabei nicht auf andere, sondern auf Gott zu richten. Gottes bedingungslose Liebe ist keine Legitimation zur Untätigkeit, sondern Motivation und Ausgangspunkt für wahre, selbstbewusste Selbstliebe.

 

 

Es tut mir leid

denke ich in Richtung Gott.

Es tut mir leid,

dass mein Handeln so selten dich

und so häufig meine Unvollkommenheit wiederspiegelt.

 

Es tut mir leid

denke ich in Richtung Menschen.

Es tut mir leid,

dass ihr durch mich ein verzerrtes Bild von Gott bekommt.

 

Es tut mir leid,

denke ich in Richtung Christen.

Es tut mir leid,

dass ich mit meinen Fehlern auch euren Ruf beschmutze.

 

Schon okay,

denkt Gott in meine Richtung.

Schon okay,

dass du nicht perfekt bist, denn ich habe dich so geschaffen.

Schon okay,

dass du Fehler machst, denn Fehler gehören zum Leben dazu.

Schon okay,

dass dein Bestes nie genug zu sein scheint.

Ich bin stolz auf dich, dass du dein Bestes gibst.

 

Jonathan Krauter

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