REPORTAGE: „Das ersetzt jedes Fitness-Studio“

Um 8 Uhr ist es noch dunkel auf dem Parkplatz bei der Geislinger TVA-Halle. Trotzdem sind schon 40 Helfer des Evangelischen Jugendwerks (EJW) – darunter viele Kinder und Jugendliche – vor Ort.

2182969_t1w600h392q90v1435_swp-8458706_20160111_4C_BAUM1_X999592585X

Fünf kleine Lkw mit offener Ladefläche stehen bereit, mit denen die Weihnachtsbäume eingesammelt werden. Schnell werden die Schilder mit der Aufschrift „Aktion Weihnachtsbaum“ an den Fahrzeugen angebracht, dann verteilen sich die Helfer in Teams, die jeweils aus erfahrenen Baumsammlern und Neulingen bestehen, auf die Lkw. Fünf verschiedene Gebiete müssen die EJWler bis um 16 Uhr abdecken; dann wird es langsam dunkel und der Grünmassesammelplatz in Kuchen, auf dem die Bäume abgeladen werden, schließt seine Tore.

Die Lastwagen bekommt das EJW gestellt, erklärt Johannes Walter vom Jugendwerk. Schwieriger sei es, die geeigneten Fahrer zu finden, vor allem seit der C-Klasse-Führerschein nur noch bis 3,5-Tonnen gilt. Steffen Winkler ist einer der Fahrer. Beruflich ist er „Schreibtischtäter“, aber nach inzwischen 27 Einsätzen bei der Sammelaktion ist der Umgang mit dem MAN 7,5-Tonner für ihn Routine geworden. „Der hat einen Wendekreis wie ein Golf“, schwärmt Winkler. Mit von der Partie sind außerdem sein 11-jähriger Sohn Philipp, Neffe Kevin aus Sachsen, der gerade in Geislingen zu Besuch ist, Johannes Walter und vier weitere Helfer. Ihr Sammelgebiet umfasst die Überkinger Straße und ihre Parallelstraßen sowie den Zillerstall und den Türkheimer Berg.

Mit 30 Stundenkilometern fährt Winkler vorsichtig die Überkinger Straße hinunter, damit seine Leute, die auf der Ladefläche mitfahren, nicht zu sehr hin- und hergeschüttelt werden. Viel gibt es entlang der großen Straße nicht einzusammeln – bis auf Johannes Walter schwärmen die Helfer deshalb in Zweiergruppen in die Seitenstraßen aus, um die Bäume dort einzusammeln und die jeweils zwei Euro Abholgebühr abzukassieren. Die Besitzer der Bäume haben einen Zettel mit ihrer Adresse an einen Ast gehängt. Am Ende der Goethestraße und an mehreren Stellen in der Südmährerstraße haben die Helfer mehrere „Haufen“ aus etwa jeweils zehn Bäumen gebildet und reichen sie Stamm voraus hinauf zu Johannes Walter auf die Ladefläche. „So muss das sein“, lobt Steffen Winkler. Fast alle Bäume sind Nordmanntannen; alle sind ordnungsgemäß abgeschmückt. „Vor ein paar Jahren gab es mal die Unsitte, Bäume mit Wurzeln im Topf zu kaufen“, erzählt Winkler. „Die sind wir am Grünmassesammelplatz nicht losgeworden, weil die Töpfe nicht durch den Schredder gingen.“

Walter kommt beim Stapeln der Bäume auf dem Laster schnell ins Schwitzen: „Das ersetzt jedes Fitness-Studio“, meint er lachend. In der langen Südmährerstraße füllt sich die Ladefläche schnell. Die Helfer auf dem Lkw sind schon fast im „Wald“ verschwunden und müssen die Ladung mit ihrem ganzen Körpergewicht zusammendrücken, um mehr Platz zu schaffen. Steffen Winkler ist von der Technik seiner Kollegen nicht besonders angetan. „Das ist nicht die große Kunst des Stapelns“, ruft er nach hinten. „Ihr müsst die Bäume mehr stecken.“ Zwischendurch hält er an, weil die Ladung zu sehr in die Breite wächst. Die Zweige sollen schließlich nicht an parkenden Autos vorbeistreifen. Mit vereinten Kräften wird das Problem behoben. „Die erste Tour lasse ich zum Aufwärmen noch durchgehen“, mahnt Winkler. „Dann wird besser gestapelt.“

Am Ende der Südmährerstraße ist der Lkw voll. Während sich die Baumstapler mit belegten Brötchen stärken, fährt Winkler die Ladung zum Grünmassesammelplatz nach Kuchen. Dort trifft er auf die „Konkurrenz“: Die Kuchener Jugendfeuerwehr lädt gerade ihre Bäume ab. Auf der Rückfahrt in die Südmährerstraße kommen Winkler zwei volle EJW-Lkw entgegen. Auch sie haben ihre erste Tour abgeschlossen. Für Winkler und sein Team geht es sofort weiter: Die Bäume in den Wohngebieten am Türkheimer Berg warten. Noch drei weitere Lkw bekommen er und sein Team bis zum Nachmittag voll. Bei den restlichen vier Teams sieht die Lage ähnlich aus.

Die Bilanz der diesjährigen Sammelaktion kann sich sehen lassen: Über 1000 Bäume hat das EJW eingesammelt und damit 2834 Euro eingenommen. Der Erlös kommt je zur Hälfte einem Projekt des CVJM-Weltdienstes in Äthiopien und der Jugendkirche „Celepraytion“ zugute.

 

 

Nach einem Artikel von Stefanie Schmidt, Südwest Presse, veröffentlicht am 11.01.2016; Link zum Originalartikel

Print your tickets